Als 1989/90 die DDR zusammenbrach und noch vor der Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland die Debatte um die Wiedergründung von deren 1952 aufgelösten Ländern begann, war im benachbarten Sachsen eines sofort klar: Landeshauptstadt wird wieder Dresden. Daran zweifelten nicht einmal die Leipziger, die unter hohem Risiko so viel zum Ende der DDR beigetragen hatten. Residenz bleibt Residenz, auch ohne wettinisches Königshaus.
In Thüringen indes war die »Hauptstadtfrage« zunächst so wenig klar wie auf anderer Ebene die Frage »Bonn oder Berlin?« Landeshauptstadt wurde schließlich Erfurt. Darüber schütteln geschichtsbewusste Weimaraner noch immer den Kopf: Was, etwa die kurmainzische, dann preußische »Nebenstadt«? Na gut, der Luther hat dort studiert, Napoleon Bonaparte ist mal durchgeritten, und sonst? Der Heilige Bonifatius – das ist wirklich zu lange her und gar nicht ganz gewiss, ob der wirklich dort war.
Weimar dagegen, das war eine richtige Residenzstadt, schon immer, na ja, jedenfalls lange, und das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach gehörte immerhin nicht zu den ganz kleinen Reichsständen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, fast schon zu den mittelgroßen, erheblich kleiner als das Kurfürstentum Mainz, ja, aber bedeutend größer als das benachbarte Fürstentum Reuß ältere Linie. Da könnte ja eher noch deren Greiz Landeshauptstadt werden, denn das war auch – anders als Erfurt – schon immer, na jedenfalls lange, eine richtige Residenz. Und wenn nicht Greiz, dann wenigstens Gera als einstige Residenz des Fürstentums Reuß jüngere Linie, aber bitte nicht Erfurt!
Und wir in Weimar, wir hatten doch unseren Carl August, übrigens auch ein Wettiner wie die in Dresden, ja, eine Nebenlinie. Der konnte sich zwar keine eigene Armee leisten und musste daher in der preußischen dienen, und der verdankte seine Beförderung vom Herzog zum Großherzog dem Bonaparte, ja, aber einen Großherzog hatten die in Erfurt nie. Und der Carl August, der hat auch den Goethe hierher geholt. Na gut, der war ursprünglich ein Patrizier aus der alten Reichsstadt Frankfurt (viel größer als Weimar), aber geblieben ist er dann doch. Schließlich hat ihm der Carl August nicht umsonst das wirklich ansehnliche Haus an unserem Frauenplan geschenkt (also doch umsonst).
Und dann ist der Goethe da mit seiner Christiane eingezogen, ganz ungeniert in wilder Ehe – das hat nicht wenige von uns Weimaranern erst mal schockiert. Ein Künstler eben, was sieht man denen nicht alles nach. Und mit dem Haus am Frauenplan verdienen wir heute noch eine Menge Geld, jedenfalls mehr als die in Erfurt mit ihrem Dom (Eintritt frei). Und außerdem hat der Goethe seine Christiane dann irgendwann doch noch zur legitimen Rätin von Goethe gemacht – vergeben und vergessen also. Sollen die in Erfurt also ihren Ministerpräsidenten haben, die wechseln ja sowieso, wir haben auf immer den Goethe…
Es gibt noch viel mehr zu sagen über Weimar. Auch sehr, sehr Bitteres, Beschämendes, das keinesfalls vergessen werden darf. Diejenigen, die zum Vortrag kommen, hören auch noch mehr.
Vorbereitungsabend für die Studienfahrt mit der VHS Düsseldorf »Auf den Pfaden von Klassik und Demokratie« – offen für alle Interessierten!
von Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Vorträge & Gespräche Eintritt frei
Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus
Bismarckstraße 90 40210
Düsseldorf,
Nordrhein-Westfalen,
Germany
08/Okt/2025 18:00 - 08/Okt/2025 19:30
Vorbereitungsabend für die Studienfahrt mit der VHS Düsseldorf »Auf den Pfaden von Klassik und Demokratie« – offen für alle Interessierten!
von Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Vorträge & Gespräche Eintritt frei
Als 1989/90 die DDR zusammenbrach und noch vor der Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland die Debatte um die Wiedergründung von deren 1952 aufgelösten Ländern begann, war im benachbarten Sachsen eines sofort klar: Landeshauptstadt wird wieder Dresden. Daran zweifelten nicht einmal die Leipziger, die unter hohem Risiko so viel zum Ende der DDR beigetragen hatten. Residenz bleibt Residenz, auch ohne wettinisches Königshaus.
In Thüringen indes war die »Hauptstadtfrage« zunächst so wenig klar wie auf anderer Ebene die Frage »Bonn oder Berlin?« Landeshauptstadt wurde schließlich Erfurt. Darüber schütteln geschichtsbewusste Weimaraner noch immer den Kopf: Was, etwa die kurmainzische, dann preußische »Nebenstadt«? Na gut, der Luther hat dort studiert, Napoleon Bonaparte ist mal durchgeritten, und sonst? Der Heilige Bonifatius – das ist wirklich zu lange her und gar nicht ganz gewiss, ob der wirklich dort war.
Weimar dagegen, das war eine richtige Residenzstadt, schon immer, na ja, jedenfalls lange, und das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach gehörte immerhin nicht zu den ganz kleinen Reichsständen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, fast schon zu den mittelgroßen, erheblich kleiner als das Kurfürstentum Mainz, ja, aber bedeutend größer als das benachbarte Fürstentum Reuß ältere Linie. Da könnte ja eher noch deren Greiz Landeshauptstadt werden, denn das war auch – anders als Erfurt – schon immer, na jedenfalls lange, eine richtige Residenz. Und wenn nicht Greiz, dann wenigstens Gera als einstige Residenz des Fürstentums Reuß jüngere Linie, aber bitte nicht Erfurt!
Und wir in Weimar, wir hatten doch unseren Carl August, übrigens auch ein Wettiner wie die in Dresden, ja, eine Nebenlinie. Der konnte sich zwar keine eigene Armee leisten und musste daher in der preußischen dienen, und der verdankte seine Beförderung vom Herzog zum Großherzog dem Bonaparte, ja, aber einen Großherzog hatten die in Erfurt nie. Und der Carl August, der hat auch den Goethe hierher geholt. Na gut, der war ursprünglich ein Patrizier aus der alten Reichsstadt Frankfurt (viel größer als Weimar), aber geblieben ist er dann doch. Schließlich hat ihm der Carl August nicht umsonst das wirklich ansehnliche Haus an unserem Frauenplan geschenkt (also doch umsonst).
Und dann ist der Goethe da mit seiner Christiane eingezogen, ganz ungeniert in wilder Ehe – das hat nicht wenige von uns Weimaranern erst mal schockiert. Ein Künstler eben, was sieht man denen nicht alles nach. Und mit dem Haus am Frauenplan verdienen wir heute noch eine Menge Geld, jedenfalls mehr als die in Erfurt mit ihrem Dom (Eintritt frei). Und außerdem hat der Goethe seine Christiane dann irgendwann doch noch zur legitimen Rätin von Goethe gemacht – vergeben und vergessen also. Sollen die in Erfurt also ihren Ministerpräsidenten haben, die wechseln ja sowieso, wir haben auf immer den Goethe…
Es gibt noch viel mehr zu sagen über Weimar. Auch sehr, sehr Bitteres, Beschämendes, das keinesfalls vergessen werden darf. Diejenigen, die zum Vortrag kommen, hören auch noch mehr.
Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus
Bismarckstraße 90 40210
Düsseldorf,
Nordrhein-Westfalen,
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08/Okt/2025 18:00 - 08/Okt/2025 19:30